Rotgurt

DER ROTGURT: 10. und 9. KYU

Die Stufe der Stabilität

Rot entspricht der Eigenschaft der Masse oder des Widerstandes. Es ist die Farbe des menschlichen Steissbeinzentrums, dessen Element die Erde ist, das gröbste der Elemente. Nach einigen Monaten harten Trainings wird sich der Gurt des neuen Schülers etwas beschmutzt haben und erhält deshalb eine leichte dunklere Schattierung. Dies ist der Zeitpunkt, sich auf die Prüfung zum Rotgurt vorzubereiten. Man lässt die Nichtfarbe Weiss hinter sich zurück, um den ersten Schritt auf dem Wege seiner Entwicklung zu nehmen.
Für den Schüler, der für die Rotgurtprüfung trainiert, bedeutet das Element Erde, dass Stabilität in seinem Training ein Schwerpunkt sein soll. Der Hauptbelang ist das Verstehen der körperlichen Grundlagen. Dies kann durch das konzentrierte Üben der Stabilitäts-Grundstellungen zenkutsu-dachi, sanchin-dachi und kiba-dachi und durch die Körperkontrolle beim korrekten Gleiten über den Boden in diesen Stellungen erreicht werden. Sosai Oyama sagte seinen Schülern oft: „tachi sannen“, „drei Jahre für die Grundstellungen“. Der Karateka beginnt seine ernste Reise mit dem Erlernen, die richtige Stellung zu fühlen. Durch die verbesserte Stabilität erhält man ein elementares Gefühl für dynamisches Gleichgewicht.
Die grundsätzliche Kontrolle des Gleichgewichtes im Karate erhält man, indem man lernt, das in sich zentrierte Gewicht zu fühlen. Dies fördert gute Haltung, was Mas Oyama in den Kampfkünsten für einen sehr wesentlichen Punkt hielt. Korrekte Stellung erlaubt uns, den Gegner klar zu sehen, uns völlig auf seine, wie auch unsere eigenen Absichten zu konzentrieren.
Mit solchem Training entwickelt man eine grundsätzliche, sehr praktische Feinfühligkeit in den Füssen und Beinen – man fühlt, wie man richtig in einer Stellung steht. Fudo! Kraft und Fortschritt bauen auf einer festen Grundlage auf.
Die Grundlage findet man nicht nur in sich selber, sondern auch im Trainingsumfeld, dem Dojo. Um gleichmässigen Fortschritt zu erzielen, sollte der angehende Rotgurt gründlich mit den Verhaltensregeln und Vorgängen im Dojo vertraut sein, worauf sich das Training wie das Leben des Karateka abstützt.
Der sich auf den Rotgurt vorbereitende Weissgurt versteht das Karate nur oberflächlich, sein Karatestil widerspiegelt dies. Sein Bewusstsein beschränkt sich auf Muskelgewebe und Knochen. Das Training konzentriert sich grob gesagt auf das Bewegen derselben. Man hört hin und wieder die Aussage fortgeschrittener Schüler bezüglich des Kämpfens mit Weiss- und Rotgurten, dass jene nur aus Knochen, Knien oder Ellbogen bestünden. Dort befindet sich das Bewusstsein des Anfängers.
Um die Techniken zu erlernen, muss man zuerst wissen, wann die verschiedenen Körperteile wo sein sollten. Auf Anliegen wie das Erreichen maximaler Kraft mittels Technik kann man erst nach dem grundsätzlichen Verständnis der Positionierung des Körpers und der Koordination aller Körperteile eingehen.
So baut man sich die Grundlage für einen starken, geradlinigen Weg. Die gute Grundlage ist unerlässlich für das Erreichen eines höheren Niveaus auf irgend einem Gebiet. Miyamoto Musashi vergleicht den Lebensweg des Kampfkünstlers mit dem eines Zimmermanns, der, um etwas gutes leisten zu können, Werkzeuge haben muss, die immer aufs schärfste geschliffen sind.
Wenn der Zeitpunkt der Rotgurtprüfung gekommen ist, hat sich die grundlegende Gewohnheit einer guten körperlichen Fitness schon eingespielt. Man nimmt den neuen Lebensstil voller Ehrgeiz, Dankbarkeit, Ausdauer und Lebenskraft an. Man muss sich selbst dazu verpflichten, an den Trainings teilzunehmen. Überwinde die selbstschadende Sturheit, die dem Wunsch nach persönlicher Verbesserung entgegenhält, indem sie dazu verführt, bei der kleinsten, billigsten Entschuldigung dem Dojo fernzubleiben. Der Rotgurt sollt versuchen, begeistert am Training teilzunehmen und auch seine Träume von grossartigeren zukünftigen Ereignissen zu bewahren.