DER GRÜNGURT: 4. und 3. KYU
Die Stufe des Gefühls, der Sensibilität
Nach einer Zeit der Vertiefung und des Studiums bereitet sich der Gelbgurt auf die Prüfung für den vierten Kyu vor, also für den Grüngurt. Grün setzt sich aus einer Mischung von Gelb (des Feuerelementes) und Blau (des Elementes der Leere) zusammen. Die Grüngurtstufe entspricht einem Sprungbrett – die erste Stufe der fortgeschrittenen Farben. Das entsprechende Tschakra ist das Anahata-Tschakra, welches in der Nähe des Herzens liegt, dessen Element die Luft ist.
Bis jetzt war der Karateka in seinen Erfahrungen und Ausdrucksmöglichkeiten ziemlich eingeschränkt. Da seine Konzentration jetzt im Herzen sitzt, wird sich der Karateka seiner einzigartigen, differenzierenden Intelligenz sowie der Wichtigkeit von Mildtätigkeit und Güte bewußt.
Das Anahata-Tschakra ist das gefühlvolle Herz. Wenn jemand aufgefordert wird, für etwas „ein Herz zu haben“ und wirklich Mitleid empfindet, oder wenn jemand ein emotionelles Stechen in der Herzgegend fühlt, dann ist dies die sich in diesem Rückenmarkszentrum bewegende Energie.
Der angehende Grüngurt lernt, andere so wie sie sind zu akzeptieren, indem er sich bewusst wird, dass hinter allem mehr steckt, als man mit blossem Auge sieht. Man erfährt nie die ganze Wahrheit. Somit wird der Grüngurt rücksichtsvoller anderen gegenüber, seine Persönlichkeit wird ausgewogener. Er realisiert, dass Macht ohne Weisheit und Mitleid destruktiv, gefährlich und gefühllos ist. Sosai teilte uns mit: „Stärke ohne Gerechtigkeit ist Gewalt, Gerechtigkeit ohne Stärke ist Unfähigkeit. “
Der Schüler auf dieser Stufe lernt, was es wirklich bedeutet, andere zu lieben – „auf keinen Fall darf der Karateka dem Schicksal und dem Ergehen anderer Menschen gleichgültig gegenüberstehen.“
Dies sieht man am deutlichsten an der Fähigkeit des Grüngurtes, Karate demütig und geduldig, nicht mit egoistischer und autoritärer Unhöflichkeit zu lehren, egal wie wenig davon zu spüren ist.
Wer hofft, den Grüngurt zu erlangen, sollte ernsthaft die im Karate enthaltenen Möglichkeiten sowie dessen Geschichte und Philosophie studieren. Grundsätzliche menschliche Physiologie, einschliesslich der lebenswichtigen Nervenzentren des Körpers, sollte man auch erforschen. Im Dojo konzentriert sich der Grüngurt hauptsächlich auf das korrekte Atmen und auf das Verfeinern der Techniken, indem er die Rot-, Blau-, und Gelbgurtanforderungen vertieft.
Bevor man überhaupt an den Grüngurt denkt, sollten alle Grundtechniken, Bewegungsmuster und erforderlichen Kata ausgefeilt sein. Der angehende Grüngurt lernt, Technik, Geschwindigkeit und Kraft zu kombinieren; jene Kraft, die er durch hartes Training – Arbeit am Kraftaspekt des Karate – entwickelt hat. Kyokushin ist Kraftkarate. Der Grüngurt sollte fähig sein, diese Kraft zu demonstrieren.
Man studiert auch gründlich die feineren Aspekte dieser Stufe – Feingefühl und Timing. Man muss lernen, die Absichten und das Gleichgewicht eines Gegners zu fühlen, sowie den Gebrauch der Techniken zeitlich so abzustimmen, dass man den bestmöglichen Effekt erzielt. Man erhält einen Einblick in fortgeschrittene technische Konzepte und Methoden und findet persönliche Vorlieben, die man ins eigene Karate aufzunehmen beginnt. Die Reaktionen werden reflexartig, müssen nicht vorgängig überlegt werden. Eine Technik läuft ganz natürlich ab, ohne zu denken der Grüngurt erlebt kurze Augenblicke des Geisteszustandes, den man Zanshin nennt: Der Körper handelt ohne jeglichen bewussten Aufwand.
Das Training wird ernsthafter als je zuvor. Man kann sich beim blossen Gedanken an Verbesserung nicht steigern; der Qualität des Trainings muss angemessene Betrachtung gezollt werden.
Der Grüngurt strebt danach, im Übungskampf eine reife, angstlose Haltung zu erlangen, währenddem er eine täuschend ruhige und unvoreingenommene Haltung gegenüber der Selbstverteidigung und dem täglichen Leben einnimmt. Dies ist der erste Schritt beim Lernen über die positive Täuschung, der Kunst, Gefühle und Fähigkeiten zu verbergen, wo es notwendig ist. Diese Fähigkeit ist eine wichtige Waffe im Arsenal jedes Kriegers – im Karate und auch im täglichen Leben. Es ist nicht immer ein Vorteil, seine persönlichen Meinungen, Fähigkeiten und Absichten zu entblössen. Geduld ist meist Erfolg versprechender.
– Ernährung
Fitness und Gesundheit sollten nicht länger nur ein Gegenstand der theoretischen Betrachtung sein, sondern zur Gewohnheit werden. Man sollte ein gründliches Verständnis um die verschiedenen Trainingsarten sowie deren Auswirkungen entwickeln. Zu diesem Zeitpunkt sollte der Schüler auch ernsthaft die Ernährung und deren Auswirkungen auf den Körper studieren. Dazu kann man eines der zahlreichen dafür spezialisierten Bücher zu Rate ziehen. Es ist nicht der Sinn dieser Ausführungen, die Leute in Bezug auf die Ernährung zu beraten, aber um diesen Teil abzurunden, möchte ich einige kurze und sehr allgemeine Informationen darüber geben.
Die Ernährung, die allen Leuten liegt, gibt es nicht. Man sagt, das Fleisch des einen sei das Gift des anderen. Wie auch immer, in unserer Zeit, wo die Lebensmittel voller Konservierungsmittel, Farb- und Aromastoffen sowie Chemikalien gegen Pilz- und Schimmelbefall sind, müssen wir speziell auf unsere Ernährung achten.
Rotes Fleisch enthält viele Gifte und viel Fett. Wenn du es wirklich essen musst, dann in gemässigter Menge, zusammen mit Lebensmittel, die dem Körper bei der Verdauung helfen; so mag es noch gehen. Heutzutage wird jedoch zu viel rotes Fleisch konsumiert. Es gibt in der Tat ausreichend Beweise für die These, dass der Körper sehr wenig, falls überhaupt, rotes Fleisch benötigt. Es scheint mehr zu schaden als zu nützen. Unser Verdauungssystem ist näher verwandt mit jenem der Pflanzenfressern als mit dem der Fleischfresser. Wenn man Fleisch essen will, dann besser weisses, mit wenig Fett. So ist zum Beispiel frischer Fisch angebrachter.
Jedem das Seine. Im allgemeinen ist die beste Ernährung jede vorsichtig gewählte, die dir entspricht. Sie sollte genug komplexe Kohlenhydrate, Fettsäuren, Vitamine, Mineralien und genug Eiweiß liefern. Nicht was man isst, sondern eher was man nicht isst, macht die Qualität der Ernährung aus. Vermeide raffinierte Lebensmittel. Die sind nichts anderes als Gift. Hochraffinierte Nahrung hat die natürliche Qualität verloren, denn oft werden synthetische Nahrungszusätze hinzu gegeben, die der Nahrung die natürliche „Lebenskraft“ stehlen. Lies die Etiketten auf den Packungen. Bestandteile werden der Menge entsprechend aufgelistet. Du wirst überrascht sein, was alles in sogenannt „gesunder Nahrung“ steckt. Iss gemäßigt. Dein Körper ist ein geborgter Tempel – behandle ihn dementsprechend. Du bist, was du isst. Beschäftige dich mit deiner Ernährung, aber vertiefe dich nicht zu sehr darin.
Wenn der Karateka sich entschliesst, Drogen einzunehmen (inklusive Alkohol, Tabak, sogar Koffein), so ist das seine Sache. Aber es wäre intelligenter, sich zuerst zu informieren über all deren Auswirkungen und Gefahren für den Körper (schnell ersichtlich), den Geist (weniger offensichtlich, jedoch tiefer liegend) und für den Willen (noch fast unbekannt – der passionierteste Konsument würde sich jedoch den weiteren Gebrauch irgendwelcher Drogen zweimal überlegen, wenn er eine Ahnung davon hätte). Mein persönlicher Vorschlag wäre, alle unerlaubten Drogen sowie Rauchen und Alkohol zu vermeiden. Brauch deinen Verstand und spiele nicht mit Drogen. Falls du ein Hoch brauchst, suche die natürlichen Hochs von Gesundheit, Glückseligkeit und einem friedfertigen Herzen.
Der Grüngurt befindet sich auf der Stufe der Reife, Weisheit und Liebe. Dies wird am einfachsten realisiert, wenn man den Wunsch abschüttelt, zuviel zu spekulieren und kopflastig zu sein und so an der einfachen Wahrheit im Herzen der Dinge vorbeigeht. Indem man seine körperliche und mentale Stärke durch das Training entwickelt, wird die Auffassung des Grüngurtes durch Mitleid und Verständnis ausgewogener und harmonischer. Es ist ungeheuer wichtig, dass der Grüngurt sich von ihm nicht bekommenden Einstellungen fernhält. Der Weg des Kriegers ist ein Ringen im Herzen. Mit Selbstkontrolle kann man alles erreichen.
Der Karateka lernt, mit anderen zu teilen, anstatt geizig und selbstsüchtig zu sein. Er entwickelt einen Sinn für kooperative Brüderlichkeit; er ist nicht falsch, sondern echt und rücksichtsvoll. Er merkt, dass er fair, mitfühlend und reif sein muss, wenn ihm die Menschen in- und außerhalb des Dojos trauen und ihn respektieren sollen. Er lernt, dass ein praktisches Geheimnis des Lebens darin besteht, über sich selber lachen zu können und die Dinge nicht zu ernst zu nehmen. Ein reifer Karateka zeichnet sich durch seinen guten Sinn für Humor aus. Sei ernsthaft in bezug auf alles was du tust, aber nimm nichts zu ernst.
Die Diskussion des Grüngurtes läuft bisher darauf hinaus, dass man sich auf dieser Stufe – der ersten der fortgeschrittenenen Stufen (die erste, welche das Wesen des fünften Rückenmarkszentrums, der allumfassenden Leere, berührt) – mit der Rolle des Geistes im Karate sowie im Alltagsleben befaßt.
Es ist nicht einfach, den Geist zur Ruhe zu bringen. Um diese Fähigkeit willentlich zu erlangen, benötigt man unendliche Geduld und Beharrlichkeit. Das Ziel ist, ein Gleichgewicht zwischen den körperlichen und geistigen Seiten zu finden. Das „Aufnehmen“ der Verantwortung dieses ersten fortgeschrittenen Grades bedeutet unumgänglich ein „Ablegen“ jeglicher Unreife. Weiterer Fortschritt wird sich kaum einstellen, solange dies nicht geschehen ist.