Blaugurt

DER BLAUGURT: 8. und 7. KYU

Die Stufe der fliessenden Bewegung und der Anpassungsfähigkeit

Nachdem man nach einiger Zeit das Rotgurtprogramm gelernt hat, sollte man sich auf den achten Kyu, den Blaugurt, vorbereiten. In Japan sagt man diesem Grad auch zizu-iru obi, „Grad der Farbe des Wassers“, oder hellblauer Gurt. Diese Farbe symbolisiert das Element Wasser, das zum menschlichen Kreuzbein – Rückenmarkszentrum gehört. Obwohl die Farbe dieses Zentrums eigentlich organge ist (deshalb haben andere Kampfkunstsysteme an dieser Stelle den Orangegurt), erinnert das Hellblau den Karateka an die fliessende Art des Wassers.
Der auf den Blaugurt trainierende Karateka entwickelt die grundsätzliche Fähigkeit, sich aufgrund verschiedener Reize flüssig an etwas anzupassen, darauf zu reagieren, wie sich das Wasser der Form der es enthaltenden Gefässe anschmiegt. Diese Fähigkeit verbessert man durch Kumite, zuerst Yakusoku – Kumite, später Jiyu – Kumite – freier Kampf.
Unabhängigkeit wird sich einstellen und der angehende Blaugurt beginnt, sich zu überlegen, wie er sich das Karate aneignen kann, um seinen körperlichen Stärken und Schwächen am besten zu entsprechen. Der Blaugurt konzentriert sich auf die Handtechniken, speziell auf das Fühlen des richtigen Griffes, was so wichtig ist, aber oft übersehen wird. „Nigiri sannen, tachi sannen, tsuki sannen“. „Drei Jahre für den Griff, drei Jahre für die Stellung, drei Jahre für den Schlag“. Als Rotgurt verbrachte der Schüler viel Zeit mit der Entwicklung des Gefühls für die Festigkeit seines Standes. Die nächsten zwei oder drei Jahre wird der Karateka täglich daran weiterarbeiten, währenddem er versucht, das Gefühl für den richtigen Griff zu entwickeln. Indem er dies mit der korrekten Stellung koordiniert, kann der Karateka versuchen, das Gefühl für den richtigen Schlag zu fördern.
Mit dem entsprechenden Training entwickelt man einen starken Körper, vor allem Oberkörper und Arme. Der Karateka trägt mit einer ihm liegenden Oberkörperstärkund zusätzlich dazu bei, sollte jedoch Liegestützen auf Knöcheln oder Fingerspitzen, ab dem 16. Alterjahr, spezielle Achtung schenken. Das Erdelement (Rotgurt) wird aber auch nicht vernachlässigt: neue Stellungen, Bewegungskonzepte und Fussarbeitabläufe werden entwickelt um den wachsenden Körper des Wissens zu stärken.
Eine der stärken des Blaugurts sollte körperliche und geistige Felxibilität sein, deshalb sollte er sich an regelmässiges Dehnen gewöhnen, um seine Geschmeidigkeit zu verbessern. Er lernt auch, sich anzupassen, indem er die Schwäche überwindet, alles und jedes mit einer starren geistigen Einstellung anzugehen.
Diese Flexibilität erlaubt den Fortschritt zu den Anforderung des nächsten Grades. Kombiniert mit der Fitness und dem Wissen des Rotgurtniveaus kann der Karateka Koordination entwickeln – er lernt, Gleichgewicht und Technik die ganze Zeit über zu kontrollieren. Dies gestattet wiederum, dass man alle Waffen in seinem Arsenal nicht einfach als unabhängige Dinge erkennt, sondern als die vielen Facetten der selben Einheit.
Vor allem lernt der Blaugurt jedoch, das nörgelnde Drängen „es leicht zu nehmen“ zu überwinden, ohne entmutigt zu werden. Dies ist wichtig. Diese Trockenzeiten, wie sie genannt werden, so sich Enthusiasmus manchmal bis zum Punkt der Verzweiflung wendet, können dem Karateka jederzeit in seinem Leben erscheinen. Sie gehören auch zum Training, niemand ist immun gegen die Verwirrung, die sie stiften. Deshalb ist es ausserordentlich wichtig, dass man sie erkennt und mit ihnen richtig umgehen kann.
Das Training für den Blaugurt ist energetisch. Der Schüler beginnt wirklich, die durch Karate verbesserte Gesundheit zu spüren, die verbesserte Durchblutung und Muskeltonus, das stärkere Herz-Kreislauf-System, weniger Körperfett, vergrösserte Körperstärke und ein allgemeines Gefühl des Wohlbefindens. Der Bezug des Schülers zum Karate wird gefestigt. Er versucht, die negativen Züge des Elementes Wasser zu überwinden, wie zum Beispiel Stolz und Gleichgültigkeit – er sollte jetzt zusätzlich unter anderem die Geschichte des Karate, die Terminologie, Verhaltensregeln studieren.
Kenne deine Grenzen und sieh ein, dass es noch viel zu lernen gibt. Die Stufe des Blaugurtes besteht aus einer Phase der Vertiefung des Stoffes des Rotgurtes und des Studiums und Aneignens des Gelbgurtprogrammes.
Im wesentlichen durchläuft Wasser all seine Stadien unverändert. Ob im ruhigen, besänftigenden Rieseln eines Bächleins, im Tosen eines Wasserfalles oder in der Gewalt einer Gezeitenweisse – das Element ist und bleibt Wasser. Der Karateka muss lernen, sich auch im Leben anzupassen, alle Aktivitäten im gleichen ungestörten Geisteszustand auszuführen. Ob ruhig beim Rasten, oder inmitten einer wilden Schlacht bleiben Geist und Seele des wahren Karateka unerschüttert.
Man nennt diese Haltung heijoshin – den unveränderten und unberührten Geisteszustand. Als Karateka sollten wir immer nach diesem Zustand streben, denn nur diejenigen, welche die ständige unberührte Gegenwart des Geistes erhalten können, sind fähig, den Weg der Kampfkünste vollständig zu begehen. Der Verlust der Selbstkontrolle führt zu ungezügelter Wut und Angst. Das würde bedeuten, dass Kämpfen zu einer körperlichen Tätigkeit würde. Kämpfen ist eine Geistesangelegenheit. Zeige keine Gefühle. Der Verlust des geistigen Gleichgewichtes zieht den Verlust der geistigen Stärke mit sich. Der gefährlichste Mensch ist derjenige, der im Angesicht der Gefahr keine Gefühle zeigt. Dies ist heijoshin.